Anhand der folgenden zwei Fallbeispiele kann der Frischluftbedarf in Wohn- oder Arbeitsräumen mit hinreichender Genauigkeit abgeschätzt werden: 

Annahmen: In einem Wohnzimmer mit 4 x 5 m Grundfläche und 2,5 m Höhe halten sich 3 sitzende Personen (Nichtraucher) auf. 

  • Mindestluftwechsel: 3 x 30 m3 = 90 m3/h - vgl. Kap. 5.2
  • Luftvolumen Wohnzimmer: 4 x 5 m x 2,5 m = 50 m3 
  • Hieraus ergibt sich, dass mindestens ca. 2 mal je Stunde die Luft ausgetauscht werden sollte (= Luftwechselrate) 

Fallbeispiel I: Wohnzimmer in einem Niedrigenergiegebäude 

Die Luftwechselrate in Niedrigenergiegebäuden beträgt bei geschlossenen Fenstern und Türen, also bei "Natürlicher Lüftung" durch Undichtigkeiten typischerweise etwa 1 – 2 je Stunde (kann aber auch niedriger oder höher sein!); in diesem Fallbeispiel wird von einer Luftwechselrate von 1 ausgegangen. 

Durch Lüftungsmaßnahmen – z. B. Fensterlüftung – sollte also je Stunde mindestens eine zusätzliche Luftwechselrate angestrebt werden. Verrichten die Bewohner Tätigkeiten wie z. B. Bügeln, Spielen, Basteln, Gymnastik, sollte die Luftwechselrate noch höher sein. Entsprechend wird bei den weiteren Ausführungen von einer zusätzlichen Luftwechselrate von 2 je Stunde durch Lüften ausgegangen und auf Basis von Abb. 14 folgendes Lüftungsverhalten empfohlen: 

  • Bei Querlüftung und ganz geöffneten Fenstern oder Fenstertüren: 
    • Im Winter 2 mal je Stunde je 2 - 4 Minuten lüften
    • Im Frühling/Herbst 2 mal je Stunde je 4 - 10 Minuten lüften 
    • Im Sommer 2 mal je Stunde 12 - 20 Minuten lüften 

  • Bei Querlüftung und gekippten Fenstern oder Fenstertüren bzw. bei einem ganz geöffnetem Fenster ohne Querlüftung
    • Im Winter 2 mal je Stunde je 4 - 6 Minuten lüften 
    • Im Frühling/Herbst 2 mal je Stunde je 8 - 15 Minuten lüften 
    • Im Sommer 2 mal je Stunde 25 - 30 Minuten lüften (= Dauerlüftung!)

  • Bei einem gekippten Fenster ohne Querlüftung: Hier müsste selbst im Winter 2 mal je Stunde je 30 - 75 Minuten gelüftet werden, d.h. selbst eine Dauerlüftung reicht nur noch unter optimalen Bedingungen (2 x 30 Minuten) für den empfohlenen Luftwechsel aus. Während der anderen Jahreszeiten ist eine ausreichende Lüftung lediglich über ein gekipptes Fenster nicht mehr möglich. 

Verkürzen (und damit bzgl. Energieverbrauch optimieren) lassen sich die Lüftungszeiten durch das Öffnen von zwei oder mehreren Fenstern und/ oder das Öffnen von Türen zu anderen Räumen. Alternativ kann hier eine einfache Abluftanlage oder eine kontrollierte Lüftungsanlage sinnvoll sein. 

Die Gebäudehülle weniger dicht zu machen (z. B. durch das Entfernen von Fensterdichtungen), ist nicht empfehlenswert. Dies wäre mit einem Verlust der Kontrolle über den Luftaustausch und des Heizenergieverbrauchs sowie der Gefahr von Kondensation in Bauteilen verbunden. Zudem würde sich damit auch der Schutz gegen Lärm verringern.

Fallbeispiel II: Wohnzimmer in einem undichten Altbau 

Vorausgesetzt werden die gleichen Annahmen wie in Fallbeispiel I. Es handelt sich aber um einen Raum in einem undichten Altbau (Fenster ohne Fugendichtung, offener Speicher u. a.). Die Luftwechselrate in undichten Altbauten beträgt bei geschlossenen Fenstern und Türen (= Natürliche Lüftung - vgl. Kap. 5.2) ewa 4 - 12 je Stunde (kann aber auch niedriger oder höher sein!). Es sind also zumindest bei Ruhe oder leichten Tätigkeiten i.d.R. keine weiteren Lüftungsmaßnahmen erforderlich. 

Eine Lüftungsanlage ist bei besonders undichter Bauweise (i.d.R. ältere Bauten) nicht sinnvoll. Wird das Gebäude nachträglich aus Energiespargründen besser abgedichtet, muss das Lüftungsverhalten bzw. -konzept an die geänderten Verhältnisse angepasst werden, auch um Tauwasserschäden zu vermeiden.

Übersicht 07: Fallbeispiele zum Lüftungsbedarf

Baubio-logisch 👍

Das IBN empfiehlt, das Lüftungsverhalten anhand von regemäßigen CO2- und Luftfeuchtemessungen zu optimieren.