Im Tierreich finden wir einfache Beispiele des Bauens. Hier zeigt sich ganz deutlich die primäre Bedeutung klimatischer Faktoren für das Bauen von Nestern, Höhlen, Lager usw. So wird z. B. Material verwendet, das eine gute Wärmedämmung infolge seines lockeren Gefüges und seiner Porosität aufweist; die gute isolierende Wirkung ruhender Luft wird ausgenutzt. Aus der nächsten Umgebung liefert die Natur die benötigten Baustoffe, wie Reisig, Holz, Lehm, Heu, Laub, Federn und Wolle. Der Aufbau bewirkt eine zunehmende Wärmedämmung von außen nach innen.

Beispielhaft seien hier die Nester von Amseln, Schwalben, die Baumhöhlen des Spechtes oder die Wohnhöhlen des Hamsters erwähnt. Selbst Bodenbrüter wie der Kiebitz nutzen die isolierende Wirkung von Ästen oder schichten Gestein und im Falle des Sandregenpfeifers Muschelschalen so geschickt auf, dass die empfindlichen Eier und Jungvögel gegen den feuchten, kalten Untergrund durch die zwischen diesem Aufbau befindlichen Luftkammern abgeschirmt sind.

Die Ausgangsformen der Bauwerke des Menschen sind denen der Tiere sehr ähnlich. In manchen Regionen werden noch heute Hütten, Baumhäuser, Höhlen, Jurten und Zelte aus Holz, Bambus, Lehm, Steinen, Schilf, Stroh, Hirsestroh, Laub, Baumwolle, Wolle oder Rinde erstellt.

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Abb. 03: Traditionelle mongolische Kazakh Jurte aus auseinanderziehbaren Holz-Wandgittern, mehreren Lagen Wollfilz und Baumwolltüchern | Quelle: Adobe Stock, Alexandr Yermakov

Zwischen dem örtlichen Vorhandensein von Baumaterial, den jeweiligen Klimaverhältnissen und den Bauarten bestehen enge Beziehungen. Einfachheit und Nützlichkeit prägen diese Bauten. Selbst unter extremen täglichen Klimaschwankungen in Steppen und Wüstenzonen genügen sie seit Jahrtausenden den Bedürfnissen des Menschen. Und ein solcher Klimaschutz ist zudem nahezu kostenlos; nur die Arbeitskraft des Bauherrn und evtl. seiner Nachbarn sind erforderlich. Auch bei den verbesserten Bauten, bei denen zusätzlich zur Schutzfunktion auf Solidität und Schönheit geachtet wird, werden die bewährten und örtlich vorhandenen Baustoffe nach den Erfahrungen der Vorfahren verwendet. Stein- und Ziegelbauten (vorwiegend luftgetrocknete Lehmziegel) spielten vor allem in Städten warmer Gebiete wie z. B. in Griechenland oder dem Nahen Osten eine Rolle; die Holzarmut als Folge der Waldrodung hat diese Bauweise gefördert.

In Europa wurden bis zu Beginn und teils bis Mitte des 20. Jahrhunderts im Wohnungsbau 60 - 70 % mineralische Baustoffe wie z. B. Ziegel, Lehm, Kalk und 30 - 40 % pflanzliche Baustoffe wie z. B. Holz, Kork, Stroh, Schilf verwendet. Innerhalb weniger Jahrzehnte haben sich die Verhältnisse völlig verändert. Heute werden überwiegend industriell hergestellte Baustoffe wie Stahlbeton, Stahl, synthetische Materialien und Glas verbaut. Vornehmlich für das Raumklima hat diese Entwicklung – auch in Verbindung mit der modernen Heiztechnik und Elektroinstallation – zahlreiche Probleme mit sich gebracht. 

Zu vielen Baustoffen gibt es in Deutschland keine statistische Datenerhebung. Die Verwendung natürlicher Baustoffe beispielsweise aus Lehm, Kalk, Holz oder anderen nachwachsenden Rohstoffen erlebt jedoch aufgrund des wachsenden Umwelt- und Gesundheitsbewusstseins, aber auch aufgrund des Angebots guter Produkte eine Renaissance.

Übersicht Dämmung

Übersicht 02: Ergebnis einer Markt- und Sozialforschungsstudie der Hochschule Pforzheim 2017 zum Thema "Nachwachsende Rohstoffe" am Beispiel von Fassadendämmungen auf Basis von 340 Interviews.